Interview mit Prof. Dr Michael Schmidt – Koordinator des WP13

Das ASIMUTE-Projekt ist ein multidisziplinäres europäisches Forschungsprojekt, das Frauen und Männer mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt. Ihre Hintergründe sind unterschiedlich, aber alle diese Menschen engagieren sich, um die Forschung voranzutreiben. In einer Reihe von Miniporträts erfahren wir, wer sie sind und was sie motiviert. Für dieses erste Interview hat sich der Koordinator des WP13, Prof. Michael Schmidt, bereit erklärt, unsere Fragen zu beantworten.

Frage 1: Was ist Ihr persönlicher Werdegang und was hat Sie dazu bewogen, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen?

Prof. Schmidt: Mein Weg in die Wissenschaft war kein gerader, sondern ein kurvenreicher Weg mit unerwarteten Wendungen. Ich begann mit der Mathematik, die mich durch ihre Eleganz und Logik faszinierte, merkte aber bald, dass ich mein Wissen auf die Herausforderungen der realen Welt anwenden wollte. Das führte mich in die Industrie, wo ich mich für den Energiesektor entschied – einen Sektor, der so viel Fortschritt ermöglicht, aber gleichzeitig eine der größten Bedrohungen für unseren Planeten darstellt, aufgrund der Art und Weise, wie wir Energie überwiegend erzeugen und verbrauchen. So kam ich zu GE Global Research, wo ich die Gruppe Erneuerbare Energien und Energiesysteme leitete und mich auf Energiesysteme und Nachhaltigkeit konzentrierte.

Nach fünf Jahren in der Industrie entdeckte ich, dass meine wahre Leidenschaft in der akademischen Welt liegt. Die Freiheit, komplexe Themen zu erforschen, kombiniert mit der Möglichkeit, die nächste Generation von Ingenieuren zu inspirieren und auszubilden, ist eine unschlagbare Mischung.

 
Frage 2: Warum haben Sie sich für dieses Forschungsgebiet entschieden?
 
Prof. Schmidt: Energiesysteme – insbesondere Energiemanagement und intelligente Stromnetze – sind faszinierend, weil sie viele Herausforderungen, Auswirkungen auf die reale Welt und Spitzentechnologie in sich vereinen. Unsere Stromnetze sind die größten Maschinen, die der Mensch je gebaut hat, aber wir müssen sie umbauen, während sie in Betrieb sind. Man stelle sich vor, ein Flugzeug umbauen zu müssen, während es in der Luft ist. Bei diesem Umbau geht es nicht nur um Physik und Technik. Es geht um enorme Investitionen, riesige Märkte, menschliches Verhalten und neue Technologien wie Datenwissenschaft, künstliche Intelligenz und moderne Kommunikationsnetze. Alles ist miteinander verknüpft. Die Herausforderung, diese Systeme intelligenter, effizienter und zukunftssicherer zu machen, macht diesen Bereich für mich so spannend.

Unser Ziel ist es, die Koordination zu vereinfachen und zu verbessern, um die Energiesysteme flexibler und widerstandsfähiger zu machen.

Frage 3: Wie ist Ihr Forschungsbereich mit dem Projekt verknüpft?
 
Prof. Schmidt: Die Optimierung von Microgrids und Prosumern sowie deren Koordination ist ein langjähriger Schwerpunkt unserer Forschungsgruppe. Mit unserem eigenen Forschungsmicrogrid untersuchen wir, wie dezentrale Energiesysteme effizient arbeiten können. Eine zentrale Herausforderung ist die Interoperabilität – viele Koordinationsmethoden sind komplex und erfordern hohen Kommunikationsaufwand, was die Umsetzung in der Praxis erschwert. In ASIMUTe, insbesondere in WP13, wollen wir robuste Ansätze für ein dezentrales Energiemanagement entwickeln, die mit einem Minimum an Datenaustausch auskommen und gleichzeitig eine hohe Interoperabilität gewährleisten. Unser Ziel ist es, die Koordination zu vereinfachen und zu verbessern, um die Energiesysteme flexibler und widerstandsfähiger zu machen.
 
Frage 4: Was war die erste Frage, die Sie sich selbst zu Beginn des Projekts gestellt haben?
 
Prof. Schmidt: Die große Frage war: Wie lassen sich dezentrale Energiesysteme ohne übermäßigen Kommunikationsaufwand effektiv koordinieren? Wir wissen, dass intelligentes lokales Energiemanagement enorme Vorteile bringen kann, aber viele bestehende Ansätze sind entweder zu komplex oder zu abhängig von zentraler Steuerung. Die Herausforderung bestand also darin, einen Weg zu finden, Microgrids und Prosumer flexibel, effizient und robust zu halten, ohne im Datenaustausch zu ertrinken.
 
Frage 5: Haben Sie diese Frage bisher beantwortet?
 
Prof. Schmidt: Wir haben große Fortschritte gemacht, aber die Reise ist noch nicht zu Ende. Wir haben vielversprechende dezentrale Strategien identifiziert, die die Kommunikation minimieren und gleichzeitig die Effizienz erhalten. Inspiriert von den australischen Dynamic Operating Envelopes sehen wir großes Potenzial in adaptiven Netzrestriktionen, die das lokale Energiemanagement innerhalb dynamischer Grenzen optimieren. Dieser Ansatz verbessert die Netzstabilität bei gleichzeitiger Maximierung der Flexibilitätsnutzung. Die Verfeinerung dieses Ansatzes für eine praktische und skalierbare Umsetzung in der EU bleibt jedoch eine zentrale Herausforderung.
© Hochschule Offenburg
Frage 6: Was können Sie uns über Ihre aktuellen Erkenntnisse mitteilen, ohne zu viel preiszugeben?
 
Prof. Schmidt: Wir haben erste vielversprechende Ergebnisse auf der Basis realer Netzdaten aus unserer engen Zusammenarbeit mit Netzbetreibern. Unsere Ergebnisse nehmen Gestalt an und wir bereiten derzeit unsere ersten Veröffentlichungen vor – bleiben Sie also gespannt!
 
Frage 7: Ich freue mich darauf, diese Artikel zu lesen!
Wann und warum begannen Sie mit der Arbeit an umweltbezogenen Projekten?
 

Prof. Schmidt: Mein Interesse an Nachhaltigkeit begann während meines Mathematikstudiums an der TU Berlin, wo ich im Nebenfach Technischen Umweltschutz studierte. Später habe ich bei GE Global Research an der Integration erneuerbarer Energien gearbeitet, was meinen Fokus auf nachhaltige Energiesysteme vertieft hat. Seitdem ist es ein wichtiger Teil meiner Forschung, Energie intelligenter und umweltfreundlicher zu machen.

© Jigal Fichtner

Egal wie intelligent oder effizient eine Lösung ist, sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie von den Menschen und den Märkten akzeptiert wird.

Frage 8: Haben Sie in letzter Zeit an anderen umweltbezogenen Projekten gearbeitet? Und wenn ja, würden Sie uns etwas über deren Ziele und/oder Ergebnisse erzählen?
 
Prof. Schmidt: Ich habe mit meiner Forschungsgruppe in der Vergangenheit an vielen, vielen Projekten gearbeitet und wir tuen dies auch weiterhin – zu viele, um sie alle zu beschreiben! Aber alle haben ein gemeinsames Ziel: das Maximum aus einem Minimum an Ressourcen herauszuholen. Unsere Arbeit umfasst die Flexibilität von Prosumern, die Flexibilität der Industrie, intelligentes Laden, Energiemonitoring und Datenanalyse sowie die Simulation und Optimierung von Verteilnetzen. Ein spannendes Projekt, an dem wir derzeit arbeiten, ist GrECCo, in dem wir untersuchen, wie Energiegemeinschaften aktiv zur Netzstabilität beitragen und gleichzeitig ihren eigenen Nutzen maximieren können. An diesen Projekten sind viele industrielle und internationale Partner beteiligt, um die Effizienz, Nachhaltigkeit und Netzstabilität weiterzuentwickeln.
 
Frage 9: Warum ist die Energieoptimierung auf europäischer Ebene wichtig?
 
Prof. Schmidt: Das europäische Energiesystem ist stark vernetzt, und seine Optimierung ist der Schlüssel zur Gewährleistung von Stabilität, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit. Angesichts des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien ermöglicht uns eine effiziente Koordinierung über Grenzen hinweg, Angebot und Nachfrage auszugleichen und die Stabilität des Netzes zu sichern. Intelligente Optimierung trägt auch dazu bei, die Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe zu verringern und Europa energieunabhängiger und klimafreundlicher zu machen. Kurz gesagt, ein gut optimiertes Energiesystem ist unerlässlich, um die ehrgeizigen Klima- und Energieziele Europas zu erreichen und gleichzeitig die Lichter überall am Brennen zu halten.
 
Frage 10: Sind Sie begeistert von anderen Projekten, sind es Ihre eigenen oder die von jemand anderem?
 
Prof. Schmidt: Auf jeden Fall! Besonders gespannt bin ich auf die Entwicklungen im Bereich des KI-basierten Energiemanagements, auf Innovationen im Bereich der Batteriespeicherung und des bidirektionalen Ladens. Diese Technologien haben ein enormes Potenzial, aber die eigentliche Herausforderung ist nicht nur technischer, sondern auch wirtschaftlicher Natur und vor allem die Akzeptanz und Unterstützung in der Bevölkerung. Egal wie intelligent oder effizient eine Lösung ist, sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie von den Menschen und den Märkten akzeptiert wird. Die Wissenschaft muss eine größere Rolle spielen, nicht nur bei der Entwicklung neuer Technologien, sondern auch bei der Überwindung dieser realen Engpässe und bei der Gestaltung von gesellschaftlichen und regulatorischen Umfeldern, die nachhaltige Energielösungen in großem Maßstab realisierbar machen.

Unsere neuesten Artikel

Interview mit Prof. Dr Axel Sikora – Koordinator des WP12

In diesem 3. Interview spricht Prof. Sikora über seinen beruflichen ...

Interview mit Prof. Dr Axel Sikora – Koordinator des WP12

In diesem 3. Interview spricht Prof. Sikora über seinen beruflichen ...

Halbzeit-Workshop – Juli 2025

Am 3. Juli trafen sich alle finanzierten Partner des ASIMUTE-Projekts ...

Halbzeit-Workshop – Juli 2025

Am 3. Juli trafen sich alle finanzierten Partner des ASIMUTE-Projekts ...

Interview mit Prof. Dr Michael Schmidt – Koordinator des WP13

In diesem 2. Interview spricht Prof. Schmidt über seine Karriere ...

Interview mit Prof. Dr Michael Schmidt – Koordinator des WP13

In diesem 2. Interview spricht Prof. Schmidt über seine Karriere ...

Workshop Opal-RT 2025

Am Dienstag, den 25. März, hatten das IRIMAS-Institut und Prof. ...

Workshop Opal-RT 2025

Am Dienstag, den 25. März, hatten das IRIMAS-Institut und Prof. ...